Verschwundene Burgen an Saale-Unstrut
von Dr. Reinhard Pätz

Riade – eine Legende im Saale- Unstrut-Gebiet?

Es gibt einige Sagen, in denen König Heinrich I. die räuberischen Hunnen besiegte. Nur ein Name erscheint immer wieder - „Riade“. Aber wo war Riade? Verschiedene Bücher und Erzählungen beschreiben unterschiedliche Orte. Am bekanntesten ist Reideburg, ein östlicher Ortsteil der Stadt Halle/Saale an der Mündung der Weißen Elster in die Saale. Ein zweiter Ort als Riada soll der Ortsteil von Kalbsrieth an der Mündung der Helme in die Unstrut gewesen sein. Schließlich gibt es noch den Vorschlag, beim Ort Weißensee im „Hunnenfeld“ im heutigen Riedgen eine der wichtigsten Schlachten stattgefunden zu haben.. Was bisher wenig erwähnt wird, ist das Gebiet an dem Flüsschen Rippach zwischen Bad Dürrenberg und Weißenfels. Dieses Gebiet ist in anderen, meist lokalen Sagen mit Heinrich I. zu hören. Das soll etwas näher beschrieben werden.
Wann die Hunnen aus Mittelasien in Mitteleuropa auftauchten, ist unbekannt. Das erste Mal erwähnt wurden sie, als sie, gemeinsam mit germanischen Stämmen wie den Ostgoten, Franken und Thüringern, 451 in wilden Schlachten gegen die christlichen Römernachfolger kämpften. Die letzte Schlacht unter Attila endete unentschieden. Mit dem Tot Attilas verschwand die Periode, in der die Hunnen in Mittel-und Westeuropa plünderten.  In den darauffolgenden Jahrhunderten waren die Franken die neuen Herrscher Mitteleuropas. Die Franken waren auch im Saale-Unstrut-Gebiet sehr erfolgreich. Besonders unter den Karolinger als Frankenkönige wie Pippin III. und seine Söhne Karlemann und Karl sind sie dort urkundlich erwähnt. Durch intensive Burgerrichtungen waren kleinere Plünderungen der Hunnen wenig erfolgreich. Das änderte sich nach dem Tod Karls des Großen. Die weitere Herrschaft nach innen und außen zerfiel. Prompt erfolgten die Eroberungen der Slawen und Hunnen. So ist eine Sage über Balgstädt bekannt, bei der die Hunnen in das Gebiet an der Unstrut einfielen. Einer Sage nach haben die Balgstädter ihren  Hunnenfürst besiegt und hingerichtet. Noch heute heißt die Gegend „Tote Täler“. Für Jahrzehnte kamen die Hunnen danach nicht wieder. Als aus einem Teil des Frankenreichs „Ostfranken“ entstand, bekam auch das Gebiet südlich des Harzes wieder an Bedeutung. Besonders als die Ottonen herrschten. Der erste, Otto der Erlauchte, war Herzog der Sachsen nördlich des Harzes bis zur Werra und zur Nordsee. Als Otto nach  dem Tod des Herzogs der Thüringer auch  in Thüringen Herzog wurde, kam gerade das Gebiet an der Unstrut neue Bedeutung. Sein Sohn Heinrich wurde wegen seines enormen Reichtums im Jahr 919 König der Ostfranken. Er reaktivierte nicht nur das ehemalige karolingische Burgensystem, sondern ließ noch neue Festungen errichten. Als wieder einmal die Hunnen brandschatzend sein Gebiet heimsuchten, bekämpfte er die Hunnen und konnte 925 eine Waffenruhe erreichen. In dieser Waffenruhe ließ er besonders an Saale und Unstrut die alten Burgen erneuern und für seine bevorzugten Pfalzorte mehr Burgen dazu bauen. Er ließ außerdem ständige Soldaten errichten, jeweils einen auf acht Bauern, und eine ständige und sehr erfolgreiche Reiterarmee hinbringen. Besonders die Reiter aus Merseburg wurden berühmt. Wegen des hervorragenden Ackerbodens waren mit Merseburg, Tilleda, Wallhausen, Allstedt, Memleben und vielleicht auch Goseck besonders viele Königspfalzen entstanden. Als König Heinrich I. seiner Meinung nach alles beendet hatte, ließ er den erforderlichen Tribut an die Hunnen verweigern. Sofort reagierten die Herrscher der Hunnen. Sie begannen, im Frühjahr 933 über die slawischen Gebiete der Weißen Elster und sicher auch unter Unterstützung der Slawen das Zentrum König Heinrichs I. zu brandschatzen. Besonders die Königspfalzen sollten niedergerungen werden. König Heinrich I. war aber gewappnet. Mit seiner Reiterei und seinem Fußvolk konnte er die Gruppen der Hunnen angreifen. Der Hauptkampf mit dem Sieg Heinrichs I. endete bei „Riade“. Soweit erzählen alle Sagen. Aber wo war dem damaligen Geschichtsschreiber Widukind zufolge der Ort oder die Gegend „Riade“. Wie bereits erwähnt gibt es eine Reihe von möglichen Orten. Sagen alter Leute (und begeisterter Heimatfreunde) erzählen auch vom heutigen Ortsteil „Keuschberg“. Aus einer alten Amtskarte von Freyburg ist der Ort mit einer Kirche dargestellt. Die Kirche soll seit dem 17. Jahrhundert verschwunden sein. Der Sage nach hatte Keuschberg einmal eine bedeutende Burg auf der östlichen Seite der Saale. Ob sie schon unter den Karolingern existiert hat, ist nicht bekannt. Allerdings sollten die Burgen bei Karl dem Großen etwa aller 20 bis 30 km entfernt gewesen sein. Zwischen Merseburg und Burgwerben kann deshalb die Burg Keuschberg existiert haben. Auch zur Zeit der Ottonen. Von Heinrich I., so berichtet die Sage, war seine Reiterei in der Burg Keuschberg vorbeugend untergebracht worden, weil ein Übergang von der Weißen Elster zur Saale den Weg für die Hunnen sein konnte. Auch Heinrich I. selbst soll dort übernachtet haben. Promt kam es auch zur Schlacht. Heinrichs I. Reiterei siegte gegen die Hauptmacht der Hunnen. Die Hunnen flohen und wurden von Heinrichs I. Truppen verfolgt. Wenn die Hunnen den Herweg zurückverfolgt haben, so sind sie auf dem heutigen Flüsschen Rippach schnell von der Saale an die Weiße Elster geflohen.  Wenn alte Leute aus dieser Sage erzählen, dann sollen die „Pfeile gepfiffen“ haben. Besonders am heutigen Kreuzpunkt zwischen A 9 und A 14 in Pörsten. Eine alte Sage erzählt, dass Heinrich I. dort in der Nähe gerastet hatte, um etwas Hirsebrei zu essen. Ein Hunne soll beim Fliehen die Schüssel zertrümmert haben. Etwas Übles für den König. Noch heute gibt es einen Stein im Ort Öbless-Schlechtewitz, bei dem das passiert sein soll. Von Öbles geht eine Straße nach Großgöhren, die von den alten Leuten „Heerweg“ genannt wurde. Offensichtlich sind dort die Truppen König Heinrichs I. entlanggeritten.
Vielleicht war der Name „Riade“ ganz einfach in dieser Gegend gewesen. Das Flüsschen Rippach wurde um 976 mit einem Ort „Ripe“ erwähnt. Ob es vorher wie üblich Althochdeutsch  „riot“ bzw. mittelhochdeutsch  „riet“ war, ist unbekannt. Später soll der Bach „Ripe“ als „Ridebach“ und dann eben „Rippach“ genannt worden sein. Das Flüsschen Rippach war bis Ende des 16. Jahrhunderts über den Elsterflussgraben als Holztransportweg zur Saline Poserna vorhanden gewesen.
Dass die Bezeichnung ursprünglich auch etwas Besonderes oder Eigenartiges war, liegt an „Rippach“selbst. Alle Flüsschen oder Bäche mit dem Namen „-bach“ werden allgemein männlich bezeichnet. Dagegen kommen Eigennamen weiblich vor wie „die Saale“, „die Elster“, „die Pleiße“ und „die Ilm“. Hieß deshalb „die Rippach“ ursprünglich die „Riade“?
Dass das ganze Gebiet zwischen Merseburg und Weißenfels, insbesondere zwischen Bad Dürrenberg, dem Stadtteil Keuschberg, und der Rippach historisch bedeutend war, berichtet noch ein anderer Grund. Die Namen Keuschberg und Dehlitz werden von Otto III., dem Urenkel Heinrichs I., im Jahr 993 urkundlich erwähnt. Das ist 60 Jahre nach der Hunnenschlacht. Und auch die Orte Pörsten, Lösau und Lunstädt (Ortsteil von Roßbach) werden immer wieder als Kampforte erwähnt.  Noch einen interessanten Ort gibt es, „Bothfeld“. War das das Schlachtfeld? Leider ist von allem bisher nichts gefunden worden, keine Waffen, keine Knochenreste und keine Pfeilspitzen. Allerdings ist auch nichts gesucht worden.