Verschwundene Burgen an Saale-Unstrut
von Dr. Reinhard Pätz

„Vineta“ kommt aus dem Burgenland

Der Name „Vineta“ ist an der Ostsee weit verbreitet, in Hotels, in Gasthäusern, in Pensionen, auf Schiffen und vieles mehr. Besonders auf der Insel Usedom ist der Name sehr oft zu finden.  Sagen erzählen von einer reichen Stadt mit goldenen Kirchen und großen Häusern. Der unheimliche Reichtum gelangte über Russland und das Schwarze Meer bis nach Konstantinopel. Weil aber die Bewohner überheblich waren, verschwand „Vineta“ in einer schlimmen Nacht. Nur noch Erzählungen und Sagen berichten. Seit Jahrhunderten gibt es nun Berichte, wo die Stadt „Vineta“ existiert haben könnte.  Es ist aber alles nur Vermutung. Ob „Vineta“ wirklich existiert hat und wenn ja, wo es genau gelegen hat, ist bis heute ungeklärt. Nur eines wissen die Ostseebewohner: „Vineta“ hat mit dem Südharz und den Sachsen nichts zu tun. Im Prinzip ja. Aber der Name „Vineta“ kann mit den Sachsen ganz einfach verbunden gewesen sein. Man könnte sich einfach einmal etwas näher erträumen.
Die ersten Berichte und Sagen über die westliche Ostsee erzählen von den Germanen als Langobarden südlich der Ostsee und den Goten in Skandinavien (Gotland) und an der Weichsel. Die meisten der Stämme zogen mit Beginn der Völkerwanderung nach dem Süden, so dass es an der Ostsee nur gering bewohnt war. Etwa ab dem 5. Jahrhundert wurde die Region von slawischen Stämmen besiedelt und mit den verbliebenen Germanenresten mehr oder weniger vermischt. Und es begann ein neuer Handel. Besonders mit den Skandinaviern, den zu der Zeit bezeichneten Wikingern, kam es zu einem intensiven Handelsaustauch. Bekannt sind die damals bedeutenden Orte Haithabu beim heutigen Schleswig,  Wollin an der Insel Usedom oder Groß Raden im….. Auch das damals vorhandene „Reric“, das Zentrum der slawischen Obodriten, war ein solches Zentrum. Erst vor etwa drei Jahrzehnten wurde es ausgegraben, beschrieben und fotografiert und dann wieder vergraben. So bleibt es für die Zukunft auch erhalten.  Die Häuser waren, anders als am Mittelmeer, aus Holz.  Deshalb waren sie auch Jahrhunderte lang nicht zu finden.
Die meisten Sagen berichten jedoch von der reichen Stadt   „Vineta“, irgendwo an der südlichen Ostsee.   Die ersten Berichte sollen aus dem 10. Jahrhundert gewesen sein. Ein Kaufland Ibrahim Ibn Jakub aus Tortosa (heute Cordoba in Spanien) soll im Auftrag des Kalifen in Mitteleuropa und so auch durch die Ostsee gereist sein. Er schrieb unter anderem über „Huto, König vom Rom“, in „Mazinburg“. Das war nichts Anderes als Otto der Große, der häufig in Merseburg weilte. Also war es zur Zeit Ottos, ab 936 König der Ostfranken, der ab 963 im Auftrag des Papstes auch König von Rom geworden war. Ibrahim soll beschrieben haben, das er an der Ostsee beim „Stamm Unana“ in der sumpfigen Gegend vom Lande des „Mescheqqo“ (Mieszko I, 960 -992) eine Stadt besucht habe. Es war eine große und reichen Stadt mit einem Hafen an einem fruchtbaren Land. Die Händler brachten Waren aus fernen Ländern. Dem Bericht Ibrahims zu folge gab es eine intensive Verbindung mit den Wikingern, die den „Kiewer Rus“ im 10. Jahrhundert gegründet hatten. Von der reichen Stadt kam kein Name jedoch nicht vor. Erstmal einen Namen brachte ein Magister, Adam von Bremen ,1067 oder 1068 im Auftrag des Erzbischofs Adelbert. Adam berichtet von einer bedeutenden Stadt an der Ostsee. Sie hieß aber nicht „Vineta“, sondern „Jumne“. In der Erzählung Adams liegt die Stadt „Jumne“ auf einer Insel an einem Fluss hin zur Ostsee. Zu der Zeit war es üblich, dass die Stadt nicht direkt am Meer war, sondern im Hintergrund an einem Zufluss. Man kennt das in Hamburg („Hammaburg“ unter Karl dem Großen im 8. Jhd.) oder Bremen („Bremo“ am Fluss Weser).
Die Stadt wird, so Adam, von „drei Meeren umspült“, eins mit einem „tiefgrünen Meer“, eins von einem „weißlichen Meer“ und eines, das sich „ununterbrochen wild bewegt“. Über diese Erzählung hat man eine klassische Umschreibung. „Tiefgrün“ ist zum Beispiel das Schilf. Die Gegend von Anklam bis kurz vor Usedom ist heute noch eine Schilfregion. Also ist das tiefgrüne Meer ein Schilfmeer. Das zweite, das „Weißliche Meer“, kann ein großer See sein. So etwas wäre das Haff, das aus der Oder an der Insel entlang ins Meer fließt.  Die Oder läuft mitten „durch die Wendenstämme“, bevor sie in „Jumne“ das Land der „Pommern und Wilzen “ erreicht. Das könnte der Weg über die „Peenemündung“ sein. Und als drittes Meer rauscht die Ostsee. Wenn man das liest, kommt man durch die Gedanken auch und sicher zu erst nach Usedom. Also liegt „Jumne“ auf der Insel Usedom. Weiter wird um 1067 unter Erzbischof Adelbert berichtet, dass „in kurzen Ruderschlägen, nach der Stadt Demmin an der Peenemündung, wo die Ranen wohnen“, die Herren von Jumne das erreichen.  Wer nach „Demmin“ auf der Peene lang rudern will, schafft es nicht in kurzen Ruderschlägen von Usedom nach Demmin.  Muss er auch nicht, denn das am Ende des Schilfs liegende Anklam hieß vor tausend Jahren „Tachlim“. Hat Adam in Bremen wohl falsch aufgeschrieben. Und weiter schreibt Adam, dass die „Peene ins Barbarenmeer mündet“.  Das war wohl die östlichste Begrenzung des Einflussbereichs des Erzbischofs Adalbert.
Die „Barbaren“, die in „Jumne“ wohnten und handelten, waren ab etwa dem 7. oder 8. Jahrhundert nach der Abwanderung vieler Germanen in den westlichsten Teil der Ostsee gekommen. Bei der Mündung an der Oder waren das die slawischen Stämme der Wenden oder der Pommern. Ob da schon ein Ort der germanischen Langobarden vorhanden war, weiß man nicht. Der Ort „Jumne“ ist nicht von Ibrahim, der von „Unana“  oder „Ubaba“ schrieb, bekannt. Auch die Wikinger kannten „Jumne“. Sie lebten sogar gemeinsam in „Jumne“ und waren begeistert von der Handelstätigkeit dort. In verschiedenen Sagen der Wikinger, den „Eddas“, wird davon erzählt. Danach haben die in Skandinavien Lebenden von einer bedeutenden und reichen Burg, der „Jomsburg“, im Slawenland geschrieben. Die Jomgsburg war von einem Wikinger namens
….zum Schutz
der reichen Handelsstadt „Jumne“ oder „jom“ errichtet wurden. Die Jomsburg soll in einem „Gau Jom“ gewesen sein. Land und Stadt hatten demzufolge den gleichen Namen. In Berlin ist das Land Brandenburg, in München Bayern, aber die Stadt Usedom liegt auf der großen Insel Usedom. Ist das nicht zu denken? Nun wieder zurück zu Erzbischof Adelbert aus Bremen.  Adelbert war der zweite Sohn eines Grafen der Sachsen, die zur Zeit der sächsischen Könige, der Ottonen, oft als Pfalzgrafen und damit erster Stellvertreter des Königs, fungierten. Im Besitz der Pfalzgrafen der Sachsen waren diese Adligen Herrscher bedeutender Burgen bzw. Orte. Die bedeutendste Burg war in Goseck. Ab 1041 wurde jedoch diese Burg niedergerissen und stattdessen ein Mönchskloster gestiftet. Der Stifter war der zweite Sohn, Erzbischif Adelbert. Die neue und riesige Klosterkirche wurde eine der größten Kirche seiner Zeit, nicht nur im Saale-Unstrut-Gebiet. Heute ist nur noch ein Teil erkennbar.
Die Pfalzgrafen schufen eine neue Burg, die „Winneburg“ oder „Weißenburg“, dem heutigen Ort Zscheiplitz. Diese  „Winneburg“ verbrachten die Pfalzgraf Dedo, Friedrich II. und Friedrich III. als Hauptburg. Die Tötung Friedrichs III. führte jedoch das Ende der Burg. Die verwitwete Pfalzgräfin Adelheid heirate den Thüringer Grafen Ludwig, genannt „..den Springer“. Ludwig ließ aus Angst über die Tötung des Burgherrens eine neue Burg, die „Neuenburg“, errichten. Die „Winneburg“ ging unter. Durch Adelheid wurde jedoch eine Klosterkirche errichtet. Die Burg „Winneburg“ bzw. heute „Weißenburg“ ist nur noch von sehr wenigen zu berichten. Schade, denn gerade der Name „Winne-„ ist aufs Engste mit der ersten Erwähnung des heutigen „Vineta“ zu finden. Bevor die Ostseebesitzer anfangen zu Lachen doch eine passende Erklärung. Das beginnt mit Weihnachten. Die Bezeichnung Weihnachten hörte von tausend Jahren etwa „Wiehenachten“ oder „Winnachten“. Und „win“ bedeutet damals „heilig“ oder „(sehr) wichtig“. Wenn die Stadt „jumne“ als slawischer und  „jom“ als wikingischer Name existiert hat, dann hat sie vielleicht für Adelbert und die Sachsen „Wiehenjom“, „wichtes Jom“  oder „heiliges Jom“ geheißen. Und aus „Wiehenjom“ und  „Vine tjom“ kann schließlich „Vineta“ sein. Diese Umwandlung steht auf alle Fälle nicht so kompliziert wie „Jumne“ oder „Jom“ durchdrehen und schieben zu „Vineta“. Und wenn „Jumne“ der slawische Name war, dann kann es etwas mit einem heiligen Moor gewesen sein. Der „schwarze Teufel“ heißt Russisch „Tschorn“ Und polnisch ist ein dunkles Moor oder etwas dunkles „czarny“. Wenn auf der Insel Usedom ein heiliges dunkles Moor „Jumne“ war, dann war ein Ort oder eine bedeutende Stadt beim heiligen Moor slawisch „U jumne“. Ist das nicht so etwas wie „Usedom“? Und wenn die Pommern und andere Slawen „Usedom“ sagen, dann könnte es unter dem Erzbischof Adalbert als  Stadt „Winne czerny“ entstanden sein. Also vor 1 000 Jahren. Ein dänischer König soll im 12. Jahrhundert erst die „Jomsburg“ der Wikinger und dann die Slawenstadt „Jumne“, das schöne „Vineta“, zerstört haben. Dazu kommt noch 1134 eine der schlimmsten Flutkatastrophen auf der Insel Usedom. Seit dem ist ein großes Achterwasser, das nicht zur Ostsee führt, also nach Adelbert bzw. Adam „ununterbrochen wühlt“, entstanden. Und die ehemalige „Jomsburg“, die die Stadt zur Ostsee bewachte, ist vielleicht „Görmitz“, aus slawisch „Jumnitz“.   Ob man überhaupt noch Gegenstände oder etwas anderes auf Usedom in oder bei Usedom findet, wurde bisher nicht entdeckt. Aber alle Sachsen, die heute auf Usedom Urlaub machen, könnten „Vineta“ finden.